Zazen

Knapp ausgedrückt, besteht die budhistische Praxis darin, sich selbst zu ergründen. Es geht darum, zu dem, was wir unser Selbst nennen, vorzudringen und es zu durchschauen — also nicht darüber nachzudenken, ihm nachzuspüren oder tiefsinnige Vorstellungen davon zu entwickeln, sondern wirklich auf dessen Grund zu gelangen.

Ihr spürt doch, dass ihr ein Selbst besitzt, nicht wahr? Dann habt ihr schon mehr als genug. Geht eurem Selbst nur ein einziges Mal wirklich auf den Grund! Wenn ihr wisst, wer ihr wirklich seid, könnt ihr das lebendig werden lassen. Denn in gewissen Sinne ist es mindestens genauso wichtig wie das Erwachen selbst, diese Erfahrung in jedem Aspekt unseres Lebens zu verwirklichen.

Unser Geist ist eine wahre Gedankenfabrik. Ohne nachhaltiges Üben neigt er dazu, immer weiter und weiter zu wuchern, sich selbst zu befriedigen und das Eins-Sein, das immer da ist, zu verbergen. Dabei sind Gedanken an sich weder gut noch schlecht. An ihnen ist nichts auszusetzen. Sie haben ihren Platz, aber nicht auf dem Meditationskissen.

Wenn Gedanken oder Gefühle unterdrückt werden, tauchen sie irgendwann an anderer Stelle wieder auf, oft verzerrt und fehlgeleitet. Das funktioniert also nicht und führt nur zu neuen Problemen. Achtet daher sorgfältig darauf, was ihr tut, denn die Verdrängung ist selbst eine Art willkürlicher Gedanke. Ist ein Gedanke ert einmal entstanden, kann nichts auf der Welt ihn mehr ungeschehen machen. Allerdings muss man ohnehin nichts dagegen tun, außer sich bewusst zu sein, dass er aufgetaucht ist, und ihn dann loszulassen.

Wenn sich die Meditation vertieft und ihr ganz eins seid, werdet ihr bemerken, dass sich die Gedanken einfach auflösen. Sie verlieren ihren Halt. Die Verunsicherung und Unruhe, von der sie hervorgerufen wurden, sind verschwunden.

Es ist schön, wenn man merkt, wie sich die Übung vertieft. Aber beschäftigt euch nicht zu viel damit, und lasst euch nicht davon fortreißen. Macht nichts Besonderes daraus. Bleibt nicht stehen. Geht weiter!

Aus: Jeff Shore, Der Weg beginnt unter deinen Füßen, O.W. Barth 2018

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